Die Noeske-Orgel in der Martinskirche
Die Orgel wurde 1983 von der Orgelbauwerkstatt Dieter Noeske in Rotenburg an der Fulda hergestellt. Orgelbaumeister Dieter Noeske ist Inhaber der Firma Orgelbau Rotenburg. An der Aufstellung vor Ort waren unter seiner Leitung die Mitarbeiter Peter Kozeluh - heute selber Orgelbaumeister und Mitinhaber der Werkstatt -, Gerhard Winter und Harald Meyer beteiligt.
„Das Instrument ist mit 40 Registern groß disponiert und dabei optisch und klanglich sehr gut auf den Kirchenraum abgestimmt. Die Orgel bietet optimale Möglichkeiten für gute und vielfältige Kirchenmusik, sie ist bestens geeignet als Solo- und Begleitinstrument mit großer stilistischer Bandbreite. Das Instrument zählt zu den beachtenswerten Orgeln im Raum Ostholstein/Lübeck.“
(KMD Hans-Martin Petersen, Orgelsachverständiger der Nordelbischen Kirche, in seinem Gutachten zur Generalüberholung vom 1.4.2004)
Beschreibung
3 Manuale mit Hauptwerk, Oberpositiv, Brustwerk und Pedal, 40 Register, davon 7 Zungenstimmen, Schleifladen, mechanische Spieltraktur, elektrische Registertraktur, Registerschweller über einen Tritt (Crescendo), Jalousieschweller Brustwerk, 3 mechanische Koppeln, 5 feste Hilfszüge, 3 freie Kombinationen, Organo pleno, schaltbar über Daumenschalter oder Pistons, Zimbelstern.
Umfang Manuale: C – g‘‘‘, Umfang Pedal C – f‘. Lage des Pedals: c‘ unter c
Orgelbank höhenverstellbar
Windversorgung über Gebläse mit Magazin-Faltenbalg und 6 zusätzlichen Schwimmerbälgen
Gleichschwebende Stimmung
Disposition: Dieter Noeske, Heinz Arlt
Architektonische Gestaltung, Mensuren und Intonation: Dieter Noeske
Technische Anlage: Gerhard Winter
Zur Geschichte des Orgelbaus in Cleverbrück
Mit Fertigstellung der Martinskirche im Jahre 1964 ging man bei der Orgel für die Gemeinde von einer nebenamtlichen Organistenstelle aus. Folglich plante man eine Orgel mit nur 14 Registern. Zudem setzte der Architekt gegen den Rat des Orgelbeauftragten, Kirchenmusikdirektor Pods, und des Orgelbauers Becker, Kupfermühle, einen Standort neben dem Notausgang unter das Seitenschiff durch, der akustisch und aufführungspraktisch ungünstig war und dem Orgelbauer starke Beschränkungen auferlegte. Auch wurde auf Zungenstimmen wegen der Notwendigkeit, häufig nachzustimmen, verzichtet. Erste nebenamtliche Kantoren waren Rektor Hans Dombrowski und Roswitha Jäger.
Im Jahre 1968 wurde das Organisten- und Kantorenamt mit dem Dienstantritt von Heinz Arlt zur hauptamtlichen B-Stelle erhoben. Er äußerte zunächst den Wunsch, die Orgel zu erweitern. Hierzu konnte sich der Kirchenvorstand jedoch nicht durchringen. Rückblickend war diese Entscheidung richtig: Letztlich kam nur die große Lösung eines Orgelneubaus in Frage.
Nachdem Pastor Bräsen 1973 an die Gemeinde berufen wurde, unternahm er als Vorsitzender des Kirchenvorstandes hierzu energische Schritte.
Die Finanzierungssituation war damals noch günstig. Vor dem Aufgehen der Eutiner Landeskirche in die neu formierte Nordelbische Kirche besaß die Gemeinde noch Rücklagen, die Landeskirche versprach einen Zuschuß, und in der Kirche stand eine zwar kleine, aber funktionsfähige Orgel eines anerkannten Orgelbauers. Damit die Finanzierung gesichert war und der Auftrag für den Neubau vergeben werden konnte, entschied Pastor Meußer als damaliger Vorsitzender des Kirchenvorstandes mutig, die Orgel sofort zu verkaufen und ein fast dreijähriges Vakuum ohne Orgelbegleitung des Gottesdienstes in Kauf zu nehmen. In der Zeit wurde viel „a cappella“ gesungen, und die Chöre der Gemeinde hatten jeden Sonntag Dienst. In der Tat konnte das Instrument im Jahre 1980 einer Friedhofskapelle übergeben werden.
Im Cleverbrücker Kirchenvorstand herrschte Einigkeit, daß bei der Verwirklichung eines Orgelneubaus keine Kompromißlösung in Frage kam, sondern daß nach Umfang und Qualität ein Optimum angesteuert werden sollte. Besonders die Kirchenvorsteher Kurt Lävemann mit seinem Sinn als erfolgreicher Bauunternehmer und Asmus Beckmann als Finanzfachmann wußten die Kostenvoranschläge in dieser Hinsicht richtig zu deuten. Sie schufen sich mit Ihrer Fürsprache für eben diese Orgel ein bleibendes Denkmal.
Dieter Noeske überzeugt mit seiner Kunst viele Kirchengemeinden mit Schwerpunkt in Hessen, sowie in Berlin. Hier restaurierte er und pflegt heute noch die kostbare große Jugenstil-Orgel der Auenkirche. Aber auch der bescheidene Kirchensaal der Silas-Gemeinde verfügt über ein kleines Juwel aus seiner Hand. Hier durfte Heinz Arlt während seines Studiums in Berlin üben und behielt den Klang in seinem Ohr. Als es um einen Neubau in Cleverbrück ging, erinnerte er sich, spielte noch mehrere aktuelle Noeske-Orgeln und fand seinen damaligen Eindruck bestätigt.
Den Zuschlag erhielt dann auch aus drei vom Orgelbausachverständigen Immo Wesnigk als grundsätzlich gleichwertig beurteilten Angeboten die Rotenburger Werkstatt. Der Auftrag lautete auf 30 Register, verteilt auf zwei Manuale und Pedal. Im Laufe der Bauzeit trat noch das Brustwerk als eigenständiges Begleitwerk hinzu. Somit verfügt die Gemeinde über ein Instrument, das allen gottesdienstlichen und konzertanten Funktionen in erstklassiger Weise entspricht.
Bauweise und Klanggestaltung
Vom Wohlklang der Orgel überzeuge man sich im Gottesdienst und den zahlreichen Konzerten.
Auch gibt es CDs aus Konzertmitschnitten mit Werken von Dietrich Buxtehude und Johann Sebastian Bach, gespielt von Heinz Arlt.
(zu bestellen bei: kimu-cleverbrueck[at]gmx.de)
Einige Hinweise auf Besonderheiten: Bei der Intonation achtet Dieter Noeske darauf, daß alle Register untereinander mischbar sind. Hierdurch ist eine große Palette reizvoller Klangzusammenstellungen sowie die volle Homogenität des Klanges gewährleistet. Von Streichern über Flöten zu Prinzipalen ist ein nahtloser Übergang möglich.
Der Prinzipalklang ist edel und majestätisch, aber nicht hart. Durch die obertonreichere, derbere Intonation der Oktaven ist die Mitte der Orgel in einem gesunden Prinzipalpleno besonders kraftvoll. Die Mixturen liegen tief, hierdurch ist ein bruchloser Übergang zu Organo pleno gegeben.
Die großen Zungenstimmen verfügen über lange, bis in die Tiefe auf volles Maß ausgelegte Becher. Hierdurch halten die Rohrwerke gut die Stimmung, besitzen Kraft und Größe und sind dennoch als königliche Solostimmen zu gebrauchen.
Alle drei Manuale verfügen über ein Terzenregister. Sesquialtera und Cornett erklingen als singende Solostimmen, füllen aber auch ein romantisches Tutti. Romantische Süße verströmen die weichen Register Viola di Gamba und Flauto dolce, auch mit anderen hinzugezogenen Registern.
Die Orgel erfüllt alle Anforderungen singenden Solospiels mit zurückhaltender, aber deutlicher Begleitung, klar durchhörbarer Polyphonie und vollkommener Homogenität der Harmonik – Anforderungen, welche in besonderem Maße dem Werk J. S. Bachs mit der Selbständigkeit seiner Stimmführung und zugleich seiner harmonischen Kühnheit zugute kommen.
Generalüberholung 2006
„Auch wenn eine Orgel wie hier in Cleverbrück einwandfrei funktioniert und keine Beeinträchtigungen für das Orgelspiel festgestellt werden, sollte sie alle 20-25 Jahre gereinigt und gründlich überholt werden. Nur so kann ihr Wert erhalten bleiben. Dabei werden alle Pfeifen ausgebaut, gereinigt und überarbeitet. Danach ist der Zugang zu den technischen Teilen frei, die dann ebenfalls gereinigt, gerichtet und repariert werden. Am Ende wird das gesamte Pfeifenwerk nachintoniert und gestimmt.“ (KMD Petersen)
Der Sachverständige riet von dabei möglichen „Dispositionskorrekturen“ ab.
Dies verdeutlicht, wie gut und sinnvoll die Orgel bei ihrer Entstehung gestaltet wurde.
Fotos: Fotostudio Hellmann, Bad Schwartau
Wir danken dem Fotostudio Hellmann für die kostenlose Überlassung der Publikationsrechte an den Fotos!
Kirchenmusikerin Katha Kreitlow, Pastor Andreas Pieper - selbst ausgebildeter Organist - und ein Team ehrenamtlich für die Kirchenmusik in Cleverbrück Tätiger brachten das Kunststück fertig, die im Vergleich zur Bauphase erheblichen Kosten für die Überholung allein durch Spenden zu beschaffen. Die hohe Einsatzbereitschaft der Gemeinde, der Chöre mit ihrem Förderverein und der Bürger Bad Schwartaus mit ihren fördernden Organisationen zeigt, welch hohen Stellenwert die Kirchenmusik in Cleverbrück mit ihrem Zentrum, der Noeske-Orgel, einnimmt.
Text: Heinz Arlt, Kirchenmusiker in Cleverbrück von 1968-2007