Erinnerungen an die Renovierung der Kirche in den Jahren 1965-1968
Erinnerungsprotokoll
Es gibt Wunder, auch wenn wir sie oft nicht als solche erkennen. Ein kleines Wunder ist, dass Herrn Dieter J. Glienke uns seine Erinnerungen zukommen ließ. Sie führen uns zurück in die Zeit der Renovierung der St. Fabian- und St. Sebastian Kirche der Jahre 1965-1968. Dieter J. Glienke war damals ein junger Architekt...
Doch lesen Sie selbst, was Herr Dipl. Ing. Dieter J. Glienke (Architekt und Stadtplaner) uns Anfang des Jahres 2011 geschrieben hat:
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- Kleine Baugeschichte der St. Fabian- und St. Sebastian-Kirche zu Rensefeld
- Festschrift zum 800. Jubiläum der St. Fabian- und St. Sebastian-Kirche zu Rensefeld
- Festvortrag zum 825. Jubiläum der St. Fabian- und St. Sebastian-Kirche zu Rensefeld
- Der Heilige Sankt Fabian
- Der Heilige Sankt Sebastian
- Christenverfolgung im Römischen Reich
- Fotos (schwarz-weiß) aus der Zeit von 1900 bis 1968
- Erinnerungen an die Renovierung der Kirche in den Jahren 1965-1968
- Bau- und Gestaltungsvorhaben in der Kirche in den Jahren 2010-2011
0.0 Als Student und junger Architekt, nach meinem Studium an der TU Wien und TU Berlin - Charlottenburg habe ich in dem Architekturbüro Sandtmann und Grundmann in Hamburg gearbeitet. Dieses Büro konnte mir Aufgaben im Kirchenbau bieten. Das lag in meinem Interesse.
Etwa 1967 wurde ich von Herrn Sandtmann mit der Aufgabe betraut, die Bauarbeiten an der Rensefelder Kirche aus Sicht der Architekten zu beaufsichtigen. Die Entwurfskonzeption war weitgehend von Herrn Grundmann schon vorgegeben worden. Nach der Trennung der beiden Partner lag für mich die Hauptaufgabe in der Detaillierung einzelner Bauteile und Aufsicht der Renovierung / Restaurierung der Kirche.
1.0 Glaswand zwischen Turmvorhalle und Kirchenschiff
Zu der Zeit wurde die Stahl / Glaskonstruktion nicht aus Fertigteilen, sondern aus einzelnen Stahlprofilen zusammengesetzt. Selbst die Griffe wurden aus diesen Profilen geformt. Die Scheiben wurden aus geriffeltem Gussglas gewählt, das möglichst noch kleine „Fehler“ aufweisen sollte, um in der Oberfläche den Produktionsvorgang zu zeigen und damit „lebendiger“ zu wirken. Es entstand somit ein Element, dem man die handwerkliche Arbeit auch heute noch ansieht, und uns deshalb auch in einer über 500 Jahre alten Kirche nicht fremd erscheint. Die Teilungen der einzelnen Felder sind, soweit ich mich daran erinnere, aus dem kleinsten Gemeinsamen abgeleitet worden, und ergeben somit eine harmonische Proportion.
2.0 Das Fenster des Nebeneingangs und der Sakristei
Es setzt sich als horizontaler „Schlitz“ von der alten Bausubstanz ab. Ich habe es mit einem „Grating“ im Format der Backsteine in der Außenfassade „überspielt“, so dominieren die alten Bauformen.
3.0 Die Eichentüren (Nebeneingang an der Südkapelle)
Die Türen zeigen einzelne aufgedoppelte, senkrechte Eichenbretter, die „scheinbar“ mit schwalbenschwanzförmigen Kreuzdübeln gehalten sind. Auch hier sollte, wenigstens optisch, sich das Bild der handwerklichen Tätigkeit darstellen. So entstand zudem ein schönes, einfaches Muster.
4.0 Die Dachbalken
Das gesamte Gebälk, insbesondere der das Kirchenschiff überspannenden Eichenbalken, war morsch und musste erneuert werden, d.h. das Dach musste abgenommen und die tragenden, sichtbaren Balken erneuert werden. Das war unter den beschränkten finanziellen Mitteln nicht einfach, denn es sollten wie eh und je wieder Eichenbalken eingesetzt werden. In ganz Norddeutschland waren diese Balken in den erforderlichen Dimensionen nicht mehr aufzutreiben, so dass aus Hessen diese Balken kommen mussten.
5.0 Außenmauerwerk des Kirchenschiffes
Bei der Erneuerung des Daches stand das aufgehende Mauerwerk des Kirchen-Schiffes offen und war der Witterung ausgesetzt. Die Baufirma hatte die Mauerkrone nicht voll abgedeckt. Ich bekam einen mich völlig erschreckenden Anruf: „Die Mauern der Kirche stürzen ein“. Voller Aufregung bin ich mit meinem alten Volkswagen sofort zur Baustelle gefahren, die von einer großen Zahl Menschen umstanden war. Es goss in Strömen. Die Südseite des alten , dicken Mauerwerks hatte sich wie eine Bocksbeutelflasche zum Boden hin buchstäblich „ausgebeutelt“ und drohte jeden Moment einzustürzen. Ich war fassungslos und wusste keinen Rat. Da flüsterte mir ein alter Herr, ein Architekt, der sich jeden Tag aus Interesse die Baumaßnahmen angeschaut hatte ,ins Ohr: „Aufschlagen“. Da ich auch nichts Besseres wusste, folgte ich seinem Rat und gab das Zeichen zum Aufschlagen der Blase. Nach wenigen Schlägen quoll eine Lehm-Schlammlawine aus dem Mauerwerk heraus. Das Mauerwerk bestand in alter Zeit aus einer inneren und äußeren Backsteinschale, dazwischen hatten unsere Vorfahren Bauschutt und Lehm gekippt, der sich bei nicht abgedeckter Mauerkrone und starkem Regen plastisch verformte und das Mauerwerk nach außen drückte.
In diesem Teilbereich, etwa 3 m, ist das Mauerwerk des Kirchenschiffs erneuert Worden. Schaut man sich die Mauer der Südseite genau an, so ist die „Reparatur“ auch heute noch zu erkennen.
Ich habe in der Aufregung, nehme ich an, mich nicht bei dem alten Herrn für den Rat bedankt, aber in meinem Herzen habe ich es oft getan.
6.0 Das Triumphkreuz
Über die Aufhängung des Triumphkreuzes gab es Diskussionen, denn es müsste wie eh und je auf einem Balken stehen. Dann würde es allerdings den Chorraum in der Sicht überschneiden. Es ist letztendlich hängend und vom Altarbereich in die Nähe der Kanzel gerückt worden. Der Prediger soll sich immer bewusst sein, in wessen Namen er das Wort verkündigt und auslegt.
Jahre später, ich hatte inzwischen ein eigenes Büro auf Grund eines öffentlich ausgeschriebenen, gewonnenen Wettbewerbs, hat mich Herr von Hennigs vom Kirchenbauamt in Kiel in das Preiskollegium gebeten, um über den Anbau des Gemeindesaales für Alt-Rensefeld mit zu entscheiden.
Dieter J. Glienke, den 05/02/2011
Anmerkung in eigener Sache:
Sollten Sie einen der Handwerker auch auf den Fotos wieder erkennen, teilen Sie uns die Namen gern mit!