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Abendmahl mit(einander)(er)leben

Das Abendmahl - Aus dem Rensefelder Kirchengemeinderat

Anfang Februar 2013 hat sich der Rensefelder Kirchengemeinderat auf einer Wochenendtagung intensiv mit dem Thema Abendmahl beschäftigt. Aus dieser Beschäftigung haben sich auch praktische Veränderungen ergeben, die im Gottesdienst zu erkennen sind.

In einem Gemeindebrief-Artikel mit dem Titel "Abendmahl mit(einander)(er)leben

Praktische Veränderungen in Rensefeld" sind die Ergebnisse mitgeteilt worden.

Das neue Leitbild unserer Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Rensefeld ist unmittelbar mit dem Abendmahl verbunden. Die Sendungsworte „Das stärke und bewahre dich im Glauben zum Leben“, am Ende des Abendmahles im Kreis gesprochen, sind Ursprung unseres Leitbildes „Im Glauben zum Leben“. So ist es nur konsequent gewesen, dass sich der Kirchengemeinderat während seiner Außentagung Anfang Februar erneut intensiv mit dem Abendmahl beschäftigt hat.

Hauptaugenmerk lag auf den Einsetzungsworten zum Abendmahl. Paulus war der erste, der sie aufgeschrieben hat. Im 1. Korintherbrief sind sie im 11. Kapitel nachzulesen (Anmerkung 1). Doch Jesus hat sie rund 20 Jahre vorher gesprochen. In welcher jüdischen Tradition stand er? (Anm. 2) Wie haben sich die Worte und Deutungen bis hin zu Paulus verändert, der ja auch Jude war, nun aber auch nichtjüdische Menschen in Griechenland vor Augen hatte? Was ist geschehen, als der Evangelist Markus (Anm. 3) und nach ihm die Evangelisten Matthäus (Anm. 4) und Lukas (Anm. 5) die Worte aufgeschrieben haben? Wen hatten sie bei ihrer Niederschrift der Abendmahlsgeschichte und der Einsetzungsworte im Blick und welche anderen Interpretationen hat das jeweils mit sich gebracht? Wie kam es, dass dann rund 1500 Jahre später Martin Luther im Kleinen Katechismus die Einsetzungsworte zum Abendmahl so zusammengefasst hat, wie sie bis heute in vielen Gottesdiensten gesprochen werden?

Welche historischen, soziologischen und theologischen Hintergründe sind zu bedenken, um zu verstehen, warum die inhaltlichen Schwerpunkte zu den verschiedenen Zeiten so oder gerade ganz anders gesetzt wurden? Und welche Erkenntnisse, Empfindungen, Fragestellungen treiben uns Menschen heute um?

Mit all diesen Fragen hat sich der Kirchengemeinderat auseinander gesetzt. Die Texte wurden verglichen, Unterschiede festgestellt, eine Reihe von Informationen ausgetauscht. Wie z.B. ist eigentlich das Wort „Blut“ in den Einsetzungsworten zu verstehen? Dazu muss man eintauchen in die jüdische Glaubenswelt: Das Blut ist der Träger des Lebens, das dem Menschen von Gott „eingehaucht“ wird (Anm. 6). Das Leben kommt von Gott und ist darum heilig. Weil das Leben heilig ist, ist auch das Blut heilig, denn im Blut ist das Leben substanziell vorhanden. Wo in den biblischen Texten oder in der übrigen jüdischen Literatur von „Blut“ die Rede ist, kann es demnach gleichgesetzt werden mit dem Wort „Leben“, so wie es etwa im 5. Buch Mose getan wird: „Das Blut ist das Leben“ (Anm. 7).

In den Einsetzungsworten heißt es traditionell: „Jesus nahm den Kelch nach dem Abendmahl, gab ihn den Jüngern und sprach: Nehmt und trinkt alle daraus. Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut…“ Abgesehen davon, dass für uns heute selbstverständlich auch Frauen und Kinder eingeladen sind, spricht Jesus hier also von seinem Leben. Das aber kann man im wörtlichen Sinn nicht trinken. Es geht vielmehr um die Teilnahme an der Gemeinschaft, für die Jesus einsteht.

Noch deutlicher wird dies im ersten Teil der Einsetzungsworte, in denen es - wieder in der traditionellen Fassung - heißt: „In der Nacht, in der Jesus verraten wurde, nahm er das Brot, dankte, brach es, und gab es seinen Jüngern und sprach: Nehmt uns esst, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird…“ Wenn wir diese Worte hören, dann beziehen wir ganz automatisch das „das“ des Satzteiles „das ist mein Leib“ auf „das Brot“. Doch im griechischen ist „das Brot“ maskulin, der Relativsatz aber beginnt im Neutrum mit „das“ oder „dieses“. Es ist deutlich: „mein Leib“ kann sich nicht unmittelbar auf „das Brot“ beziehen. Sie sind nicht gleichgesetzt. Vielmehr geht es auch hier, im Symbol des Brotbrechens, um die Gemeinschaft, die Gemeinschaft mit Jesus und die Gemeinschaft untereinander.

Mit dem Stichwort „Leib“ wird nicht nur auf den Leib des am Kreuz gestorbenen Jesus angespielt, sondern auch auf die Vorstellung von der Gemeinde als Leib. So führt Paulus wenige Verse vor den Einsetzungsworten im 1. Korintherbrief aus, was das Abendmahl meint: „Der gesegnete Kelch, den wir segnen, ist das nicht die Gemeinschaft des Blutes (Lebens) Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn EIN Brot ist´s: So sind wir viele EIN Leib, weil wir alle an EINEM Brot teilhaben.“ (Anm. 8) Und im folgenden Kapitel 12 beschreibt Paulus den Leib Christi als einen Leib mit vielen Gliedern. Er meint, dass jede und jeder von uns Teil dieses Leibes ist, mehr noch, dass der Leib Christi nur dadurch lebendig ist, dass alle Glieder - das ganze Volk Gottes - einen Leib bilden, eine Gemeinschaft sind.

Für das Teilen des Brotes und des Kelches im Abendmahl bedeutet das dann: Wer Brot und Kelch teilt, der is(s)t die lebendige Gemeinschaft des Leibes Christi. Hier bildet sich zentral das ganze Volk Gottes ab, wird also zugleich die Gemeinschaft zwischen den Menschen und Gott und uns Menschen untereinander erfahrbar. Und diese Erfahrung ist immer wieder aufs Neue ein Ruf in den Glauben zum Leben, eine Stärkung im Glauben zum Leben, und der  Ort des Mit- und Füreinanders im Glauben zum Leben. Und wo, wenn nicht im Teilen von Brot und Kelch wird deutlicher, dass wir alle immer noch und immer wieder unterwegs sind im Glauben zum Leben.


Zugegeben, das alles ist hier sehr verkürzt wiedergegeben, sehr kompakt und für manche vielleicht neu und verwirrend. Doch weil wir als Kirchengemeinderat diese Gedankenwege gegangen sind, haben wir uns auch über unsere bisherige Praxis der Abendmahlsfeier in Rensefeld Gedanken gemacht, die Konsequenzen mit sich bringen:

Zentraler Inhalt der Abendmahlsfeier ist die Gemeinschaft des Leibes Christi, die Stärkung, Erinnerung und Vergebung lebendig hält und lebendig werden lässt. Darum kann es nach unserem Verständnis nicht sein, dass von vornherein jemand vom Abendmahl ausgeschlossen ist, weil eine Glutenallergie oder eine Alkoholerkrankung die Teilnahme unmöglich machen. Auch das Argument, dass im nächsten Abendmahl ja bislang Traubensaft gereicht wurde, wenn es dieses Mal Wein gibt, halten wir für nicht evangeliumsgemäß, fragt Jesus doch deutlich: „Soll man am Sabbat Gutes tun oder Böses tun, Leben erhalten oder töten?“ und heilt dann die verdorrte Hand eines Mannes, obwohl man doch - wie diejenigen, die mit Jesus stritten, meinen könnte, auf einen Tag käme es nicht an und es habe ja wohl noch bis morgen Zeit. Nein, sagt Jesus, wer in Gottes Reich hineinkommen will, der komme jetzt! Gottes Tür steht jetzt offen, nicht erst, wenn wieder Sprechzeiten sind. (Anm. 9)

Zudem hat der Kirchengemeinderat  entschieden, dass jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin von nun an selbst entscheidet, ob sie/er aus dem Kelch trinken oder das Brot eintauchen möchte. Die bisherige Vorgabe, in welcher Form das Abendmahl zu feiern ist, wird es also in Zukunft nicht mehr geben.

Uns ist durchaus bewusst, dass wir mit diesen Entscheidungen für manche - auch aus dem Kirchengemeinderat - alte Traditionen brechen, die loszulassen, nicht leicht fällt. Doch wichtiger als die Tradition ist uns der Kerngedanke des Abendmahls: Weil die Gemeinschaft im Abendmahl so eine zentrale Rolle spielt, wollen wir zukünftig das Abendmahl in einer Form feiern, die niemand von vornherein aus dieser Gemeinschaft ausschließt. So wie auch für Jesus die Gemeinschaft  das Wichtigste war. Wie wäre es sonst möglich gewesen, dass er selbst denjenigen, der ihn bald darauf an die Römer ausliefern sollte, nicht ausschloss.

Die Gemeinschaft des Leibes Christi, in der  Stärkung, Erinnerung und Vergebung möglich sind, ist ein Angebot Gottes. Dieses Angebot einzuschränken, ist nicht unser. Es anzunehmen, ist meine freie Entscheidung. Diese Gemeinschaft zu erleben, bleibt Geschenk.

Matthias Kiehn

Noch einmal zusammengefasst die Beschlüsse des Kirchengemeinderates:

  • Während der Abendmahlsfeier wird gluten- und laktosefreies Brot gereicht.
  • Im Abendmahlskelch ist Traubensaft.
  • Ob aus dem Kelch getrunken oder das Brot eingetaucht wird, ist freigestellt.

Anmerkungen:

1. 1. Kor 11,23-26
2. Vgl. dazu z.B. Joh 4,22
3. Mk 14,22-25
4. Mt 26,26-29
5. Lk 22,15-16.17-20
6. Gen / 1. Mose 2,7
7. Dtn / 5. Mose 12,23; vgl. Gen / 1. Mose 9,4-6
8. 1. Kor 10,16-17
9. vgl. Mk 3,1-6 und öfter; Joh 10,9