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Einleitung und Hinführung zur Synodenerklärung des Ev.-Luth. Kirchenkreises Ostholstein vom 5. Mai 2017

Sehr geehrter Herr Präses, hohe Synode, liebe Schwestern und Brüder im Glauben,
wir haben uns heute kein leichtes Thema vorgenommen. Die Eutiner Pastorin Löffelmacher wird auf der Ostholstein Seite der Lübecker Nachrichten vom 15.3.2017 mit den Worten zitiert: „Eine Diskussion über Wilhelm Kieckbusch ist ein heißes Eisen.“ Der entsprechende Artikel von Ulrike Benthien trägt die Überschrift „Bischof Kieckbusch – ein Mann mit zwei Gesichtern.“ Da gibt es den engagierten Seelsorger, der sich im Krieg auch um Regimekritiker kümmerte und auch noch 1940 die Jüdin Jenny Nathan beerdigte. Aber da gibt es auch den Landespropst und späteren Landesbischof, der das Stuttgarter Schuldbekenntnis der EKD nicht mittragen konnte und nach 1945 einige Pastoren in den Dienst der Eutiner Landeskirche übernahm, die andernorts nicht mehr tragbar waren. Ein sehr prominentes Beispiel ist Joachim Hossenfelder. Sagt Ihnen sein Name noch etwas?
Am 6. Juni 1932 gründete der Berliner Pfarrer Joachim Hossenfelder die Glaubensbewegung Deutsche Christen als innerevangelische Kirchenpartei für das ganze Reich. In ihren „Richtlinien“, die mehr als eine halbes Jahr vor der Machtergreifung Hitlers verabschiedet wurden, heißt es:
„Wir sehen in Rasse, Volkstum und Nation uns von Gott geschenkte und anvertraute Lebensordnungen. […] Daher ist der Rassenvermischung entgegenzutreten. […] In der Judenmission sehen wir eine schwere Gefahr für unser Volkstum. Sie ist das Eingangstor fremden Blutes in unseren Volkskörper. […] Insbesondere ist die Eheschließung zwischen Deutschen und Juden zu verbieten.“
Zum Programm der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ gehörte weiterhin der Ausschluss der Judenchristen, die sogenannte „Entjudung“ der kirchlichen Botschaft durch Abkehr vom Alten Testament und Umdeutung des Neuen Testaments, die Auflösung der von Synoden regierten 29 Landeskirchen und die Schaffung einer nach dem Führerprinzip strukturierten „Reichskirche“ sowie die „Reinhaltung der germanischen Rasse“ durch „Schutz vor Untüchtigen“ und „Minderwertigen“.
Ab 1954 wirkte Joachim Hossenfelder in der Eutiner Landeskirche. Bis 1976 war er als Pastor in Ratekau tätig. Es ist nicht bekannt, ob der Eutiner Landespropst und spätere Bischof Kiekbusch jemals von Pastor Hossenfelder verlangt hat, sich klar und eindeutig vom Nationalsozialismus zu distanzieren.

Heute sind wir besorgt über einige aktuelle populistische, fremdenfeindliche und sogar völkische Äußerungen. Dem gilt es, rechtzeitig und eindeutig entgegen zu treten. Wir stellen uns unserer Geschichte, um für Gegenwart und Zukunft zu lernen und die Fehler der Vergangenheit nicht zu wieder holen.
Der Pastorenkonvent in der Propstei Eutin hat sich in der letzten Zeit zweimal mit der Rolle der Eutiner Landeskirche in der Nazi-Zeit und den Nachkriegsjahren befasst.
Am 13. April 2016 hielt Pastorin Löffelmacher den Vortrag: „Das Erbe Wilhelm Kieckbuschs“.
Und am 9. November 2016 traf sich der Pastorenkonvent in der Gedenkstätte in Ahrensbök, genau am Jahrestag der Pogrom-Nacht der Nazis gegen die jüdischen Mitbürger. Dies war übrigens mein erster Pastorenkonvent in meiner neuen Stelle als Pastor für Mission und Ökumene im Kirchenkreis Ostholstein. Bei diesem Konvent bildete sich eine Arbeitsgruppe von Pastoren und Pastorinnen, die unter Beteiligung des Historikers Herrn Dittmann einen Entwurf für ein Schuldbekenntnis formulieren sollte, dessen überarbeitetes Endergebnis Ihnen heute zur Abstimmung vorliegt. Wir finden es wichtig, dass sich unsere Kirchenkreis Synode öffentlich zu Wort meldet, dass sie wirklich aus der Geschichte lernt und denen heute beisteht, die bei uns Schutz vor Verfolgung und Diskriminierung suchen.

Eine weitere Arbeitsgruppe im Evangelischen Zentrum in Eutin bereitet für diesen Sommer die Präsentation einer Wanderausstellung in der Eutiner Michaeliskirche vor, die den Titel trägt: „Neue Anfänge nach 1945? Wie die Landeskirchen Nordelbiens mit ihrer NS-Vergangenheit umgingen.“ Diese Ausstellung wird am 20. Juni eröffnet. Sie sind dazu herzlich eingeladen, ebenso zur Podiumsdiskussion „Neue Anfänge – Unser Umgang mit Vergangenheit“ am 28. Juni.
Die Leiterin des Lübecker NDR Büros, Frau Dr. Mäsker, wird die Podiumsdiskussion moderieren und das Podium ist prominent besetzt mit Bürgervorsteher Holst, Frau Dr. Klatt von der Gedenkstätte Ahrensbök und zugleich Vorsitzende der AG „Lübecker Märtyrer“, Frau Balzer, Gemeinderätin für Die Grünen in Eutin, Propst Barz und Pastor i.R. Lohmann.
Im Lokalen Fenster der Ausstellung wird ein Interview mit dem 93 jährigen Pastor i.R. Hartwig Lohmann zu hören sein, der in der Jugendarbeit vor über 50 Jahren die Fragen der Jugendlichen offen beantwortete, auf die sie in ihren Elternhäusern keine Antwort bekamen. Er sprach offen über die Konzentrationslager und andere Greul der Nazi-Zeit, von denen so viele angeblich nichts gewusst haben wollen. Seinem Eutiner Kollegen, Pastor Hugo Rönck, dem früheren Bischof der thüringischen Landeskirche, war das keinesfalls recht. Er agierte gegen ihn und schaffte es schließlich, dass Lohmann Eutin verließ. Und Bischof Kieckbusch hat zu alledem geschwiegen ebenso wie schon früher zur Ermordung von sechs Millionen Juden, zu den Todesmärschen und zur Tragödie der Versenkung der Cap Arkona, die tausenden von KZ-Häftlingen aus Neuengamme das Leben kostete, von denen manche sich sogar noch schwimmend ans Ufer retten konnten, wo sie dann erschossen wurden.
Es erfüllt uns mit Scham, - so formulieren wir es im Entwurf der Ihnen vorliegenden Synodenerklärung -, „daß sich die ehemaligen Landeskirchen im Raum Ostholstein während der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus schuldig gemacht und zu menschenverachtenden Gräueltaten der Nazi-Herrschaft geschwiegen haben.“
Im Blick auf Menschen wie Pastor Lohmann schlagen wir Ihnen die Formulierung vor:
„Die Synode des Ev.-Luth. Kirchenkreises Ostholstein bittet all jene um Entschuldigung, die in ihrem Bemühen um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in unserer Region durch Amtsträger unserer Kirche nicht nur zu wenig unterstützt, sondern sogar behindert wurden und teils erhebliche persönliche Nachteile in Kauf nehmen mussten. Wir danken ihnen für ihren Mut und ihre Aufrichtigkeit, Unrecht beim Namen zu nennen und mitzuhelfen, dass in Zukunft menschenverachtende Ideologien von Anfang an entschieden entgegengetreten wird.“

Michael Hanfstängl, Pastor für Mission und Ökumene des Kirchenkreises Ostholstein

Den Text der Synodenerklärung finden Sie

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Den Text der Stuttgarter Schulderklärung vom 18./19. Oktober 1945 finden Sie

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